Innendämmung bei Fachwerkwänden,
Problematik und Fehlerquellen


Sichtfachwerk und seine heutige Beanspruchung

Fachwerkgebäude Hessen

Durch den gestiegenen Wohnkomfort unterliegt das Sichtfachwerk heute einer weitaus höheren Beanspruchung, als in früheren Zeiten. Zwar wird die Wandfläche wie eh und je durch Regen, der allerdings etwas saurer geworden ist, beansprucht. Die hauptsächliche Belastung erfolgt jedoch von innen. Die Sanierung von Sichtfachwerk beinhaltet nämlich im Gesamtkonzept der Sanierungsmaßnahmen auch, dass eine zusätzliche Wärmedämmung auf der Innenseite aufgebracht werden muss und neue und damit dichtere Fenster eingebaut werden, welche von vornherein die Luftwechselrate verringern. Die modernen Heizungsanlagen und die berechtigten Ansprüche an den Wohnkomfort führen zu einer erheblich höheren Temperaturdifferenz zwischen innen und außen, steigender relativer Luftfeuchte in den Räumen und somit in Summe zu einer erhöhten physikalischen Belastung der Außenwand. Der Tauwasserausfall findet nicht mehr sichtbar im Bereich der Einscheibenverglasung statt, sondern innerhalb der Wand und das oft aus Unkenntnis der bauphysikalischen Zusammenhänge unkontrolliert.

Das Problem der fehlenden Genehmigungen

Zwar gehört Sichtfachwerk nicht von vornherein und grundsätzlich zu einem denkmalgeschützten Gebäude. In der überwiegenden Anzahl der Fälle ist jedoch davon auszugehen, dass zumindest Ensembleschutz vorliegt. Dies bedeutet, dass von vornherein für Sanierungsmaßnahmen eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung eingeholt werden muss. Häufig erfolgt das jedoch nicht, weil man entweder die Auflagen der Denkmalschutzbehörde fürchtet oder aus Unkenntnis über die rechtliche Situation insgesamt. Nicht selten erfolgt die Sanierung, und das betrifft vor allem die Innendämmung, in Eigenleistung. Das hat in der Vergangenheit in Deutschland insgesamt deutlich mehr Schäden verursacht - und die Schadensbilder werden sich in den nächsten Jahren noch erheblich vermehren - als es der 2. Weltkrieg mit seinen Zerstörungen hervorgerufen hat.

Der Einbau von schleichenden Schäden

Gefachestrukturen an einem historischen Gebäude in Sachsen-Anhalt

Die geradezu klassische Abfolge solcher Maßnahmen besteht darin, dass der Eigentümer meint, auf einen Fachplaner mit Altbauerfahrung verzichten zu können und den befreundeten oder im Ort bekannten Weißbinder/Maler mit der Sanierung beauftragt oder sich von diesem beraten lässt, wie denn nun vorzugehen sei. Da nach meiner Erfahrung der Glücksfall einer kompetenten Firma auf diesem Gebiet nicht die Regel ist, wird zwar für sich gesehen sehr effizient gedämmt, die Schäden für das sehr sensible System des Sichtfachwerks mit Innendämmung werden aber gleich mit eingebaut.

Fatal ist das für den Bauherrn insofern, da diese Schäden schleichend auftreten und das Gesamtgefüge die Gewährleistungsfrist nach VOB durchaus überdauert. Berücksichtigen muss man allerdings, dass es für eine sinnvolle und bauwerkserhaltende, aber dennoch wirksame Innendämmung zwar eine ganze Reihe von Grundregeln gibt, jedoch kein Patentrezept angeboten werden kann. Innendämmung von Sichtfachwerk bleibt eine schmale Gratwanderung zwischen Anspruch des Eigentümers auf einen hohen Wohnkomfort einerseits und der nachhaltigen Erhaltung der Bausubstanz andererseits bei erhöhten Ansprüchen an das Bauwerk insgesamt!

Das Fehlerpotential in Stichworten

Die folgende Aufstellung umfasst wesentliche Punkte, die im Bereich der Fachwerksanierung immer wieder festzustellen sind, und zwar in der Abfolge von außen nach innen.

1. Zu dichter Außenanstrich

Dabei wird zwar auf einen wasserabweisenden Anstrich geachtet, häufig jedoch vergessen, dass dieser auch weitgehend dampfdiffusionsoffen sein sollte.

2. Fehlender Kellenschnitt zwischen Putz und Balken

Einer der häufigsten Fehler bei der Fachwerksanierung im Sichtbereich ist der fehlende Kellenschnitt, der konstruktiv den Putz vom Holz trennt. Offensichtlich nicht auszurotten ist die Vorliebe vieler Weißbinder/Maler, diese sogenannte Fuge zwischen Putz und Holz dauerelastisch auszuspritzen. Da dies nie vollständig gelingen kann, ergibt sich eine unkontrollierte Ansammlung von Wasser - insbesondere durch Schlagregen - im Gefach, ohne dass die Feuchtigkeit wieder verdunsten kann. Man betrachte einmal diese Fugen nach etwa 2-3 Jahren Standzeit und man kann ohne Schwierigkeiten feststellen, wie der Kunststoff inzwischen gealtert ist und sich von seiner Abdichtungsfunktion mehr und mehr verabschiedet.

3. Falsche Wahl des Putzes in Gefachen

Zementhaltige Putze haben als Deckputz bei Gefachen nichts zu suchen. Das gilt sinngemäß auch für Kunstharzputze, die ebenfalls die noch zu erläuternden bauphysikalischen Vorgänge erheblich beeinträchtigen.

4. Die fehlende Verleistung im Gefach bei Neuaufbau der Gefache

Grundsätzlich sollte klar sein, dass eine Verbindung zwischen dem Wandaufbau im Gefach und dem das Gefach umfassenden Fachwerk gewährleistet sein muss. Die dabei eingesetzten Dreikant- oder Trapezleisten werden in der Regel frisch aus Nadelholz geschnitten und mit irgendwelchen Nägeln befestigt. Häufig wird sogar auf diese Leisten ganz verzichtet. Richtig ist die Verwendung abgelagerten Eicheholzes und verzinkter Nägel.

5. Gedankenloses Entfernen der alten Gefache

Immer wieder werden alte Gefache mit ihren Stakungen und Geflechten entfernt, weil man dieses Material entweder nicht mehr für zeitgemäß hält oder sich nicht in der Lage zu sehen glaubt, das gelockerte Material im Gefach wieder zu befestigen. Dies ist jedoch weit häufiger als gedacht gerade bei dem Einsatz einer Innendämmung möglich.

6. Falsche Innendämmung

Eigentlich das zentrale Thema baulicher Missverständnisse bei der Wahl geeigneter Dämmsysteme, die auch in bezug auf Sorption, Dampfdiffusion, Kapillarwirkung und Tauwasseranfall den bauphysikalischer Rahmenbedingungen genügen. Zu häufig wird hier nach dem Motto "Viel hilft viel" vorgegangen. Mit Hohlräumen werden Kondensatfallen geschaffen und auch die neue Energieeinsparverordnung erweist sich eben für Altbauten als nur bedingt hilfreich. Und immer noch geistert die Dampfsperre gleichermaßen durch Veröffentlichungen und Gebäude.

7. Die Innenwandgestaltung

Da Gefach und anschließende Innendämmung in ihrer Gesamtheit zu bewerten sind, zählt hierzu selbstverständlich auch die Gestaltung der Wandfläche auf der Innenseite. Es nützt verhältnismäßig wenig, wenn Planer und ausführende Firma alle Forderungen für einen ordnungsgemäßen Wandaufbau beachten und dann zum Schluss der Bauherr mit einer schweren Tapete, am besten in Vinyl-Qualität, die Innenwand im wahrsten Sinne des Wortes zukleistert und damit Dampfdiffusionswiderstände im hohen Maße aufbaut und das Raumklima deutlich verschlechtert.

Diese Aufzählung baulicher Grausamkeiten für die geschilderte Aufgabenstellung wäre sicherlich noch um einige "Nettigkeiten" zu erweitern, zeigt aber in Summe das ganze Dilemma dieser nur scheinbar so einfachen Gesamtkonstruktion. Vorausgeschickt werden soll hierbei, dass sich dieses Themas bereits das ZHD (Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, Propstei Johannesberg) und auch die WTA (Wissenschaftlich technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege) seit Jahren angenommen haben und auch entsprechende Richtlinien und Merkblätter hierzu veröffentlichten. Das Vermeiden der bereits angesprochenen Fehler setzt voraus, dass zumindest einige grundsätzliche bauphysikalische Kriterien mit ihren Auswirkungen bekannt sind, um auch Klarheit über ihre Auswirkungen auf die Gesamtkonstruktion zu erhalten.

Bauphysikalische Kenngrößen und Mindestanforderungen

Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl

Hierbei handelt es sich um eine materialbezogene Vergleichszahl zu einer ruhenden Luftschicht.

beispielsweise Eichenholz μ = 40
Strohlehm μ = 10
Kalzium-Silikat μ = 3-10

Das Material ist damit 40- bzw. 10- mal dampfdichter als gleichdicke ruhende Luftschicht. Ein niedriger μ-Wert bedeutet somit immer ein hohes Diffusionsvermögen des jeweiligen Materials mit der entsprechenden Feuchteabgabe.

sd-Wert als wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke

Der angegebene Wert entspricht der in ihrem Diffusionsverhalten gleichwertigen Luftschichtdicke. Einzuhalten sind sd-Werte von 0,5 2,0 m
Die Ermittlung erfolgt mit

sd = μ · s (Schichtdicke in m)
beispielsweise Anstrich mit Dispersionsfarbe μ = 4000,
Schichtdicke s = 0,1 mm.
sd = 4000 · 0,1 = 0,4 < 0,5.

Bei innengedämmtem Sichtfachwerk sollte der sd-Wert von innen nach außen abnehmen!

Wärmeleitfähigkeit λ (W/mK) als Materialkonstante

Dieser Wert sagt etwas über die Dämmfähigkeit des jeweiligen Materials aus; je kleiner der λ-Wert, um so besser das Dämmverhalten.

beispielsweise Lehm/Lehmwickel λ = 0,47 - 0,70 W/mK
Leichttonmörtel λ = 0,23 W/mK
Zellulose-Dämmstoffe λ = 0,04 - 0,05 W/mK

In Verbindung mit der Materialstärke ergibt sich daraus der max. Wärmedurchgangskoeffizient (Transmissionswärmeverlust)

Nach der neuen Energieeinsparverordnung EnEV wird für Außenwände im Neubau verlangt

U = 0,45 W/m²K

dieser Wert kann selbstverständlich nicht ohne weiteres für Außenwände im Sichtfachwerkbereich angesetzt werden. Ein häufiger Streitpunkt mit Bauaufsichtsbehörden, obwohl das ZHD schon vor Jahren empfohlen hat,

U = rd. 0,8 W/m²K

nicht zu unterschreiten, um den Taupunkt nicht zu weit in den Innenbereich und damit hinter die Balken der Fachwerkkonstruktion zu ziehen.

Tauwasseranfall im Bauwerk

Infolge der erforderlichen Innendämmung wird der Taupunkt in der Gesamtkonstruktion nach innen verlagert. Dadurch wird auch Eicheholz durch Erhöhung der Materialfeuchte über 18% deutlich gefährdet, vor allem dann, wenn die Rücktrocknung nicht gewährleistet ist. Die Berechnung hierzu erfolgt in der Regel nach DIN 4108, T5, und dem Glaser-Verfahren. Dabei werden leider nur ungenügend Sorptionseigenschaften und der so wichtige kapillare Feuchtetransport innerhalb der Konstruktion berücksichtigt. Grundsätzlich soll die maximal anfallende Tauwassermenge unter der ermittelten Verdunstungswassermenge liegen, wobei die DIN 4108 von einer maximal zulässigen Tauwassermenge von 1,0 kg/m² ausgeht. Richtigerweise sollte dieser Wert jedoch gem. den WTA-Richtlinien "Bauphysikalische Anforderungen an Fachwerkfassaden" auf 0,5 kg/m² verringert werden! An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass der Gesamtfeuchtehaushalt der Außenwandkonstruktion weit über die Bauphase hinaus beim Einbringen wassergebundener Dämmstoffe wie Lehm, Leichttonmörtel und Zellulose nachteilig beeinflusst wird. Auf die verlängerten Austrocknungszeiten wird auf der Baustelle selten Rücksicht genommen.

Sorptionsverhalten

Das Sorptionsverhalten wird gekennzeichnet durch die Wasseraufnahmefähigkeit des Materials und ist somit vor allem für den inneren Wandabschluss wichtig für den Luftfeuchteausgleich (gesundes Wohnklima!). Ein Kriterium hierfür ist die Wasseraufnahmefähigkeit in Gewichts%, die beispielsweise bei Kalziumsilikatplatten bis zu 408 Gew% betragen kann. Leider machen viele Hersteller hierzu keine Angaben.

Aus den zuvor erläuterten Bedingungen und Grenzwerten ergeben sich in Kurzform folgende Mindestforderungen:

μ-Wert < 10, von innen nach außen im Wandbereich
abnehmend
sd -Wert = 0,5 - 1 m

keine Hohlräume im Wandaufbau; Kapillarwirkung nicht unterbrechen! Materialien mit hoher Sorptionsfähigkeit verwenden. Auf Folien als Dampfbremsen und insbesondere Dampfsperren verzichten. Verzicht auf Tapeten erwägen

Anhand von zwei Lösungsvorschlägen soll exemplarisch dargelegt werden, wie eine Innendämmung bei Sichtfachwerk sinnvollerweise zur Ausführung kommt, und zwar in Anlehnung an die Arbeitsblätter "Fachwerkausfachungen" des ZHD.

Mineralische Leichtlehmausfachung und Innendämmung

Leichtlehmausfachung

Wandaufbau (von außen nach innen):

10 mm Reinkalkputz (Mörtelgruppe PIc)
290 mm Leichtlehm mit Blähton
12,5 mm Gipsfaser- bzw. Kalziumsilikatplatte

Gefache aus Strohlehm auf Stakung mit Zelluloseplatten-Innendämmung

Gefauche aus Strohlehm

Wandaufbau (von außen nach innen):

15-20 mm Kalkputz (Mörtelgruppe PIc)
120-140 mm Strohlehm mit Stakung (je nach Stärke der Fachwerkwand)
80 mm Zellulose-Dämmplatten (auf Feuchtigkeitsbremse kann verzichtet werden)
12,5 mm Gipsfaser- bzw. Kalziumsilikatplatte

Bei beiden Beispielen kann auf der Innenseite auf das Tapezieren zugunsten eines Reinkalkputzauftrags verzichtet werden.

Weitere geeignete Materialien für die Innendämmung - wobei die Stärke materialabhängig und zum anderen eine Taupunktberechnung unerlässlich ist - sind:

Lehmbauplatten/-steine
Leichttonmörtel (z.B. LTM 81 der Firma Bayosan)
Kork-/Lehm-/Kieselgur-/Strohgemisch (Firma Haacke)
Porenbeton- und Bimsvollsteine

Innendämmung mit Zellulose und HWL-Platten

Die Beschreibung erfolgt von außen nach innen: Als Außenanstrich hat sich dampfdiffusionsoffene Silikatfarbe als besonders geeignet erwiesen. Der abschließende Außenputz sollte als Reinkalkputz, richtungslos verrieben, unter Berücksichtigung des bereits beschriebenen Kellenschnitts ausgeführt werden. Grundsätzlich sollte "weiches" Material der Mörtelgruppe PIc Verwendung finden. Der Verputz sollte balkenbündig und nicht kissenförmig ausgeführt werden. Die häufig in Veröffentlichungen angegebene Putzstärke von 10-15 mm sollte schon wegen der möglicherweise auftretenden Scherspannungen nicht überschritten, eher unterschritten werden.

Sofern die alten Gefache nicht erhalten werden können, ist vorab umlaufend in das Gefach eine Dreikant- bzw. Trapezleiste einzufügen.

Bei der Innendämmung sind die bereits angesprochenen Kriterien unter Berücksichtigung der entsprechenden Materialwahl einzuhalten; jedenfalls ist eine hohlraumfreie Innendämmung zu gewährleisten.

Die raumbezogenen Wandflächen der Innendämmung lassen sich ausgezeichnet auch ohne Tapeten mit Lehm- oder Reinkalkputz ausführen. Eine farbliche Gestaltung mit Kalk-, Kalkkasein- oder Silikatinfarbe ist, teilweise "al fresco" aufgetragen, möglich. Wer zudem das Besondere liebt, kann sich auch in der Leimfarbentechnik versuchen.

Schlussbetrachtung

Die zunehmende Anzahl an Schadensfällen bei der Innendämmung von Sichtfachwerk macht deutlich, dass eine Innendämmung nur nach dem reinen Gesichtspunkt der Wärmedämmung schon allein wegen der Substanzerhaltung des Fachwerks nicht zu vertreten ist. Im Gesamtaufbau ist ein sensibler Umgang mit den entsprechend zu wählenden Materialien unumgänglich und letztlich eine Gratwanderung zwischen dem Wünschenswerten und dem tatsächlich Machbaren, wenn auf Dauer Sichtfachwerk erhalten und gleichzeitig ein entsprechendes angenehmes Raumklima geschaffen werden sollen.

Wegen der Vielzahl der Anfragen zu vorstehendem Artikel, ist eine Beratung nur gegen Vergütung möglich.

Dipl.-Ing. Jürgen F. Rust (rust-ctm-linden@gmx.de)

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